Marktcheck: Weiterhin wenig Vielfalt bei Obst und Gemüse

Stand:
2021 überprüften die Verbraucherzentralen in einem bundesweiten Marktcheck erstmals das Angebot von Obst und Gemüse in Supermärkten. In einem neuen Marktcheck stellten sie jetzt fest: Obst und Gemüse mit kleinen Schönheitsfehlern schafft es nach wie vor meist nicht in die Supermarktregale.
Obst und Gemüse im Supermarkt

Das Wichtigste in Kürze:

  • 2021 und 2023 untersuchten die Verbraucherzentralen in bundesweiten Stichproben die Obst- und Gemüseabteilungen von 25 Supermärkten und Discountern.
  • Immer noch hat der Handel hauptsächlich Äpfel und Möhren der Klasse I im Angebot und orientiert sich vor allem an äußeren Merkmalen wie Optik oder Form.
  • Verbraucher:innen sollten aber aus unterschiedlich großem Obst und Gemüse bedarfsgerecht auswählen können.
  • Die Verbraucherzentralen fordern, dass Obst und Gemüse grundsätzlich nach individuellem Gewicht und nicht nach Stück erfolgten.
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Handel kann Lebensmittelverschwendung beeinflussen

Obwohl der Handel selbst verhältnismäßig wenig Lebensmittel wegwirft, hat er einen enormen Einfluss auf Lebensmittelverluste in der Produktion und bei Erzeuger:innen. Denn: Die Supermärkte achten stark auf Größe, Form und Ästhetik von Obst und Gemüse.

Liegt nur perfektes Obst und Gemüse in den Regalen, erschwert das den Verkauf landwirtschaftlicher Produkte, die diesen Anforderungen nicht genügen. Obst und Gemüse, das etwas kleiner oder krummer ist oder Schönheitsfehler hat, ist nicht weniger wert als perfektes. Und auch wenn sich dieses Obst und Gemüse im Aussehen unterscheidet, kann es geschmacklich selbstverständlich mithalten. Eine eingeschränkte Auswahl im Supermarkt nimmt Verbraucher:innen allerdings die Chance, bedarfsgerecht und nachhaltig einzukaufen.

Das zeigen auch die Marktchecks der Verbraucherzentralen 2021 und 2023. In den bundesweiten Stichproben haben die Verbraucherzentralen die Obst- und Gemüseabteilungen von 25 Märkten des Einzelhandels untersucht. Dabei wurde erfasst, ob nur Produkte der Klasse I oder auch der Klasse II im Angebot zu finden sind und ob der Verkauf bestimmter Gemüsesorten nach Gewicht oder ausschließlich nach Stück erfolgt.

Wenig Obst und Gemüse der Klasse II

Oft verkaufen Händler ihr Obst und Gemüse nach Klassen sortiert, obwohl das gesetzlich nur für 10 Produktgruppen vorgeschrieben ist. Für Äpfel ist das der Fall, für Möhren aber nicht. Bei Obst und Gemüse, das nicht in die von der EU vorgeschriebene Klasseneinteilung fällt, zieht der Handel häufig die Normen der UN freiwillig heran.

Je höher die Klasse, desto höher sind beispielsweise die Anforderungen an Ästhetik und eine einheitliche Größe. So können Äpfel der Klasse II unter anderem in ihrem Durchmesser stärker abweichen als Äpfel der Klasse I. Doch unabhängig davon, welcher Klasse Obst und Gemüse zugeordnet wird – frisch, sauber, reif und frei von Fremdgeruch oder -geschmack müssen alle Sorten sein. Die Klasseneinteilung bezieht sich hauptsächlich auf optische Merkmale wie Form, Farbe oder Schale.

In der Stichprobe wurden rund 3 Viertel der angebotenen Äpfel in Klasse I und etwa ein Viertel in Klasse II verkauft. Das gleiche Bild ergab sich bei den Möhren. In Einzelfällen gab es auch keine Klassenauszeichnung. Im Vergleich zur Stichprobe im Jahr 2021 ist das Angebot an Klasse II-Äpfeln und -Möhren damit nur geringfügig größer geworden.

Bei den Discountern war der Anteil von Äpfeln und Möhren der Klasse II am geringsten. Bei den untersuchten Bio-Märkten dagegen wurde ausschließlich Äpfel und Möhren der Klasse II angeboten. Dieses Bild hat sich im Vergleich zur Vorerhebung ebenfalls nicht geändert.

Vergleich Äpfel Verteilung nach Klassen 2021 und 2023

Vergleich Äpfel

Grafik: Verbraucherzentrale

Vergleich Möhren Verteilung nach Klassen 2021 und 2023

Vergleich Möhren Verteilung nach Klassen 2021 und 2023

Grafik: Verbraucherzentrale

Anteil Äpfel je Klasse nach Einkaufsstätte

Anteil Äpfel je Klasse nach Einkaufsstätte

Grafik: Verbraucherzentrale

Anteil Möhren je Klasse nach Einkaufsstätte

Anteil Möhren je Klasse nach Einkaufsstätte

Grafik: Verbraucherzentrale

Nur vereinzelt wurde auf Obst und Gemüse der Klasse II explizit hingewiesen – zum Beispiel auf zwei 2 Apfel-Verpackungen mit dem Aufdruck "Krumme Dinger / Krumm in der Form. Makellos im Geschmack" oder per Schild neben der Ware "Möhren – Die etwas anderen“.

Unterschiedliche Größen nur zum Einheitspreis

Größenvergleich Kohlrabi und Eisbergsalat
Quelle: Verbraucherzentrale

Einige Obst- und Gemüsearten werden üblicherweise zum einheitlichen Preis je Stück und nicht nach ihrem individuellen Gewicht verkauft, ungeachtet von Größe und Gewicht. Dazu zählen beispielsweise Kohlrabi oder Eisbergsalat. Das bedeutet oft, dass sie in einheitlichen Größen und Gewichten vermarktet werden. Obst und Gemüse, das nicht der Mindestgröße oder dem Mindestgewicht entspricht, wird dann vom Handel eventuell nicht abgenommen. Sind unterschiedliche Größen verfügbar, bleiben im Gemüseregal gegebenenfalls die kleineren zurück, weil Verbraucher:innen sich große Exemplare zum gleichen Preis "herauspicken". Den tatsächlichen Bedarf zu berücksichtigen, fällt somit schwerer, so dass nicht verwendete Gemüsereste dann möglicherweise später weggeworfen werden.

Obst und Gemüse in unterschiedlichen Größen anzubieten, erhöht in jedem Fall die Auswahl für Verbraucher:innen und lässt sie bedarfsgerechter einkaufen. Sind die Unterschiede allerdings zu groß, rechtfertigt das aus Sicht der Verbraucherzentralen nicht eine Berechnung nach Stück.

Der Marktcheck 2023 zeigte erneut: Waren Kohlrabi und Eisbergsalat im Angebot, wurden sie ausschließlich zum einheitlichen Stückpreis verkauft, trotz unterschiedlicher Größe.

So fanden die Verbraucherzentralen bei Kohlrabi in 66 Prozent und bei Eisbergsalat in 40 Prozent der Märkte deutliche Größenunterschiede. Stichprobenhaft nachgewogen, ergaben sich bei Kohlrabi in einzelnen Märkten Gewichtsspannen von rund 140 bis 720 Gramm zwischen dem kleinsten und dem größten Exemplar innerhalb der Kohlrabi-Kiste.

Auch Eisbergsalate waren unterschiedlich schwer. Hier betrug der größte Gewichtsunterschied zwischen großen und kleinen Salaten bei gleichem Endpreis rund 600 Gramm. Bei Eisbergsalat sind Größenunterschiede in einem gewissen Umfang zulässig, bei Kohlrabi ist keine Größensortierung erforderlich.

Gewichtsspanne Kohlrabi zum Einheitspreis pro Stück

Gewichtsspanne Kohlrabi zum Einheitspreis pro Stück

Gewichtsspanne Eisbergsalat zum Einheitspreis pro Stück

Gewichtsspanne Eisberg zum Einheitspreis pro Stück

Was tut der Handel gegen Lebensmittelverschwendung?

Um die Verschwendung im Lebensmitteleinzelhandel zu reduzieren, haben das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und 14 Unternehmen des deutschen Lebensmittelgroß- und -einzelhandels im Juni 2023 der den "Pakt gegen Lebensmittelverschwendung" geschlossen. Ziel: Die Verringerung der Lebensmittelabfälle um 30 Prozent bis 2025 und um 50 Prozent bis 2030. Dafür wurden rund 40 Maßnahmen erarbeitet, von denen allerdings nur wenige verpflichtend sind, wie beispielsweise die Weitergabe von noch verzehrfähigen Lebensmitteln an gemeinnützige Organisationen.

Wahlweise können die beteiligten Unternehmen auch Maßnahmen an der Schnittstelle zu Produzent:innen oder Verbraucher:innen umsetzen. Im Bereich Obst und Gemüse wurde beispielsweise verabredet, auf Anforderungen an Optik oder Größe zu verzichten, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. Ebenso sollen auch Obst und Gemüse mit Schönheitsfehlern vermarktet werden.

Diese Maßnahmen sind allerdings nur zwei von zahlreichen "Wahlpflichtmaßnahmen", aus denen Unternehmen auswählen können, aber nicht müssen. Bisher ist nicht ersichtlich, welche Maßnahmen vom Handel konkret umgesetzt werden und ob und wie sie auf die Reduktionsziele einzahlen.

Ernüchternde Bilanz: Obst- und Gemüseangebot weder naturnah noch nachhaltig

Im Lebensmitteleinzelhandel besteht immer noch ein großes Potenzial, die Lebensmittelverschwendung zu verringern. Der Handel sollte die Anforderungen an Ästhetik als auch Größen- und Gewichtsnormen von Obst und Gemüse zugunsten einer naturnahen und nachhaltigen Sortimentsgestaltung anpassen.

Ein größeres Angebot von Obst und Gemüse der Klasse II im Markt trägt zu einem realistischeren Bild von landwirtschaftlich erzeugten Produkten bei und erhöht die Vermarktungschancen für Produkte, die von der aktuellen Norm abweichen. Am Ende geht es darum, auch durch die Sichtbarkeit von Schönheitsfehlern die Wertschätzung dieser genauso wertvollen Produkte zu erhöhen.

Zudem trägt mehr Natürlichkeit im Obst- und Gemüseregal laut Umweltbundesamt (UBA) zu einem besseren Klima bei. Damit Obst und Gemüse makellos aussehen kann, müssen Erzeuger:innen oft zusätzliche Pflanzenschutz- und Düngemittel einsetzen. Entsprechen die landwirtschaftlichen Produkte nicht den Vorgaben, nimmt der Handel sie in der Regel nicht ab. Im besten Fall werden sie weiterverarbeitet, häufig aber untergepflügt oder entsorgt. Das UBA hat zusammen mit Fachleuten Lösungsvorschläge für umwelt- und klimafreundlichere Vorgaben entwickelt.

Das fordern die Verbraucherzentralen

  • Der Handel sollte auf eigene Anforderungen bezüglich Größe, Einheitlichkeit und Aussehen verzichten.
  • Ziel sollte es sein, Obst und Gemüse generell wieder auf "naturnahe Sortierungen" umzustellen, so dass möglichst wenig Obst und Gemüse aus optischen Gründen nach der Ernte aussortiert werden muss und es damit leichter in den Verkauf gelangt.
  • Obst und Gemüse verschiedener Größe ermöglicht es Verbraucher:innen, bedarfsgerecht auszuwählen. Im Interesse von Verbraucher:innen sollte Obst und Gemüse dann grundsätzlich nach Gewicht und nicht nach Stück verkauft werden.
  • Maßnahmen zur Halbierung von Lebensmittelabfällen im Einzelhandel müssen konsequent und verbindlich angegangen werden, um die Reduktionsziele bis 2030 zu erreichen.

Hintergrund des Marktchecks

In einer bundesweiten Stichprobe haben die Verbraucherzentralen nach einer ersten Erhebung 2021 nun erneut die Obst- und Gemüseabteilungen von 25 Märkten des Lebensmitteleinzelhandels untersucht. Darunter befanden sich 12 Supermärkte, elf Discounter und zwei Bio-Supermärkte. Die Standorte der Märkte waren dabei die gleichen wie in der Vorerhebung, um eine Entwicklung sichtbar zu machen. Die Fragen wurden leicht reduziert und auf die wichtigsten Stellschrauben für die Reduzierung von unnötigen Verlusten bei Obst und Gemüse im Handel fokussiert.

In den jeweiligen Obst- und Gemüseabteilungen wurde erfasst, wie groß der Anteil von Klasse II bei Äpfeln und Möhren im Sortiment war. Insgesamt wurden 315 Apfel- und 119 Möhrenangebote in die Untersuchung einbezogen. Außerdem erfassten die Verbraucherzentralen, ob der Preis am Beispiel von Eisbergsalat und Kohlrabi nach individuellem Gewicht oder Stück berechnet wurde. Bei großen Unterschieden im Gewicht wurden stichprobenhaft Minimal- und Maximalgewichte erhoben.

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