Onlineshops für Kleidung: Nachhaltigkeit schwer gemacht

Stand:
Die Verbraucherzentrale NRW hat in 10 führenden Onlineshops für Kleidung überprüft, ob es Verbraucher:innen leicht gemacht wird, nachhaltigere Kleidung zu finden. Doch oft muss man umständlich suchen - und verlässliche Textilsiegel sind Mangelware.
Frau mit Onlineshop für Kleidung auf dem Handy
  • Nachhaltigere Kleidung wurde in keinem Shop vorrangig angezeigt, dazu mussten erst entsprechende Filter gesetzt werden. In drei von sieben Shops war das nicht möglich.
  • Wer herausfinden will, warum die Kleidung nachhaltiger sein soll, muss in der Regel erst unkomfortabel scrollen und klicken.
  • Abbildungen bekannter Textil-Siegel wurden nur selten angezeigt, selbst wenn das Kleidungsstück laut Text ein Siegel trug.
  • Teilweise waren die Aussagen zur Nachhaltigkeit  überhaupt nicht nachvollziehbar oder bezogen sich nur auf die Verwendung von Recycling-Polyester.
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Fast-Fashion und ein steigender Textilkonsum stellen ein gravierendes Umwelt-, Ressourcen-, Abfall-und Klimaproblem dar. Die EU-Textilstrategie sieht daher klarere Informationen auf Textilien vor und will dem grünen Etikettenschwindel Einhalt gebieten. Außerdem sollen Textilien bis 2030 bessere Qualität haben, repariert, länger genutzt und recycelt werden. 

Der Online-Handel hat auf dem Bekleidungsmarkt durch seinen hohen Anteil und sein starkes Wachstum einen großen Einfluss auf den Markt, daher ist auch er dafür verantwortlich, dass die EU-Ziele erreicht werden: Bekleidung war mit 23,1 Prozent 2022 der umsatzstärkste Sektor im Onlinegeschäft und bis 2027 soll sich der Umsatz sogar noch verdoppeln.


Der Marktcheck

Im August 2023 hat sich die Verbraucherzentrale NRW die Top-Ten-Onlinehändler (Statista, 2021) für Bekleidung angeschaut: Zalando, Otto, H&M, Aboutyou, Bonprix, Amazon, Breuninger, Bestsecret, Shein und Lidl. Unser Ziel war es herauszufinden,

  • wie leicht oder schwer es Verbraucher:innen dort gemacht wird, nachhaltigere Kleidung zu finden,
  • ob die dort gemachten Nachhaltigkeitsaussagen nachvollziehbar sind und
  • ob diese Shops Angebote zur nachhaltigeren Nutzung von Kleidung machen

So sind wir vorgegangen: 

1. Suche ohne Filter

  • In allen 10  Shops suchten wir ohne weitere Voreinstellungen nach einer Damenhose in Größe 38.
  • Dann prüften wir schon in der Trefferübersicht, ob unter den ersten 5 angezeigten Produkten auf den ersten Blick Hosen als nachhaltig gekennzeichnet wurden.
  • Im nächsten Schritt haben wir in allen 10 Shops jede der ersten fünf angezeigten Damenhosen einzeln aufgerufen.
  • Auf jeder der insgesamt 50 Produktseiten suchten wir nach Nachhaltigkeitsaussagen.

Ergebnis:

Nur 4 von 50 Hosen waren in der Trefferübersicht als nachhaltig hervorgehoben, allerdings nicht mit bekannten Textilsiegeln,  sondern mit selbst kreierten Symbolen bzw. Textaussagen. Drei davon bei Otto mit einem  Symbol für „Förderung sozialer Initiativen“ und eines bei Aboutyou mit einem Symbol für „Verantwortungsvolle Beschaffung“. Für Verbraucher:innen sind solche unkonkreten Aussagen ohne weitere Erklärung aber unverständlich. 

Bei der Prüfung der 50 einzelnen Produktseiten fanden wir 8 weitere Nachhaltigkeitsaussagen: 6 davon bezogen sich jedoch nur auf recyceltes Polyester, 5 auf „Cotton made in Africa“ und eine auf verantwortungsvoll beschaffte Viskose.

Diese Nachhaltigkeitsaussagen auf den Produktseiten waren nicht sofort sichtbar, sondern wurden erst nach Scrollen oder Klicken angezeigt. Auch das „Cotton made in Africa“-Siegel wurde, wenn überhaupt, erst durch zusätzliche Klicks sichtbar.

2. Suche mit Nachhaltigkeitsfilter

  • Bot ein Online-Shop einen Nachhaltigkeitsfilter an, haben wir diesen genutzt. Sofernman in dem Filter einzelne Nachhaltigkeitsaspekte auswählen musste, aktivierten wir sie alle.
  • Unter diesen Ergebnissen prüften wir die Nachhaltigkeitsaussagen der ersten drei  angezeigten Produkte (insgesamt 21, denn nur 7 Shops boten Nachhaltigkeitsfilter an).

Ergebnis:

Bei der Suche nach nachhaltigen Produkten wurde unter den 21 Treffern sechsmal Cotton Made in Afrika (meist ohne Abbildung des Siegels), zweimal OEKO-TEX made in Green (mit Siegel, das aber erst nach Scrollen sichtbar wurde), dreimal Fair Wear Foundation - Good Status (ohne Abbildung des Siegels) und viermal Lenzig EcoVero-Fasern und eine Baumwollhose „aus ökologischen Materialien“ gefunden, aber auch drei Hosen, die nur wegen eines Anteils an Recycling Polyester schon als nachhaltig ausgelobt wurden . Bei Bestsecret bot man zwar einen Nachhaltigkeitsfilter an, die einzige Information auf den drei Produktseiten lautete dann aber  „Mit diesem Icon versehene Produkte sind vom Hersteller als nachhaltig gekennzeichnet, da sie durch freiwillig gesetzte Maßstäbe nachhaltiger, umweltverträglicher oder fairer produziert wurden.“ Solche allgemeinen  Nachhaltigkeitsaussagen sind für Verbraucher:innen nicht nachvollziehbar.

3. Suche nach Angeboten zum nachhaltigeren Umgang mit Kleidung:

  • Wir prüften, ob der Shop Angebote zur nachhaltigeren Nutzung von Kleidung macht - z. B. Second-Hand–Angebote, Reparaturservice, Ersatzteile, Miet-oder Verleihangebote.

Ergebnis:

Nur drei Online Shops (Zalando, H&M, Aboutyou) boten unter den Überschriften „Preowned“, „Second hand“ und „Second love“ auch gebrauchte Kleidung an. Auf diese Weise tragen sie zur längeren Nutzung von Kleidung bei.

Wünschenswert wäre ein Serviceangebot der Onlinehändler zur längeren Nutzbarkeit von Kleidung: z.B. eine verlängerte Produktgarantie, Ersatzteile (z.B. Knöpfe, Reißverschlüsse etc.). Auch ein Verleih-(z. B. Baby-oder Festtagskleidung) und ein Änderungs-und Reparaturservice in Kooperation mit lokalen Schneidereien kann dazu beitragen, Neukäufe zu reduzieren. Das einzige, was wir in dieser Hinsicht fanden, waren Online-Anleitungen zum Upcycling gebrauchter Kleidung und zum Annähen von Knöpfen auf den Internetseiten von H&M.


Bewertung und Fazit

  • In den Top-Ten-Onlineshops für Bekleidung wird Nachhaltigkeit nicht leicht gemacht: Suchende müssen unter einem unübersichtlich großen Angebot konventioneller Kleidung (z.B. 320.072 Damenhosen Größe 38 bei Zalando, davon 1809 (0,57  Prozent) als „nachhaltig“ ausgelobte) erst gezielt danach Ausschau halten.
  • In den Trefferübersichten wurden keine bekannten, unabhängigen Textilsiegel  verwendet, die auf den ersten Blick verlässliche Informationen bieten würden. Viele Anbieter nutzten hier lieber selbst kreierte Nachhaltigkeitssymbole und -definitionen, die weiterer Erklärung bedürfen.
  • Mit Nachhaltigkeitsfilter wurden häufiger Textilien angezeigt, die nach unabhängigen Standards zertifiziert waren – allerdings meist ohne die Abbildung des Siegels, die eine schnelle Orientierung geboten hätte. Um herauszufinden, warum genau eine Hose als nachhaltig ausgelobt wurde, musste erst einmal gescrollt und geklickt werden.
  • H&M, Shein und Lidl boten keine Nachhaltigkeitsfilter an.
  • Ein anspruchsvolles umfassendes Siegel wie der Global Organic Textil Standard (GOTS) war bei keiner der im Marktcheck angesehenen Produktseiten zu finden, aus Bio-Baumwolle war nur eine der angesehenen Hosen.
  • Immerhin boten drei der Top-Ten-Shops gebrauchte Kleidung an, eine nachhaltigere Alternative zum Neukauf. Ob es sich dabei um getragene Kleidung oder Retouren handelt, war nicht nachvollziehbar.
  • Weitere Dienstleistungen zur nachhaltigeren Nutzung von Bekleidung  wie Kooperationen mit lokalen Schneidereien zur Reparatur und Änderung, Ersatzteil-oder Verleihservice  wurden von keinem der Top-Ten-Shops angeboten.

Unsere Forderungen an Online-Händler für Bekleidung

  • Nachhaltigere Produkte müssen vorrangig angezeigt werden und zwar, ohne dass Verbraucher:innen zuvor einen Nachhaltigkeitsfilter setzen müssen.
  • Online-Händler sollten von ihren Lieferanten mehr Kleidung mit unabhängigen und anspruchsvollen Textilsiegel (z.B. die vom „Grünen Knopf“ anerkannten) verlangen und ihr Sortiment entsprechend ausrichten.
  • Nachhaltigkeitsaussagen müssen wahr und nachvollziehbar sein.
  • Schluss mit selbstkreierten Icons und Symbolen, stattdessen sollten unabhängige Textilsiegel schon in der ersten Trefferübersicht direkt an oder auf dem Produktfoto angezeigt werden.
  • Produkte mit Recyclingfasern sollten nicht als nachhaltiger ausgelobt werden - es sei denn, die Fasern stammen aus Post-Consumer-Textilabfällen. Das ist aber derzeit so gut wie nie Fall. Besonders problematisch ist die Auslobung von Recyclingpolyester als nachhaltig, wenn dieses aus PET-Lebensmittelverpackungen wie Getränkeflaschen stammt, da in diesem Fall PET aus einem funktionierenden Kreislaufsystem entzogen wird.
  • Neben dem Angebot nachhaltiger Neuware sollten die große Online-Shops Verbraucher:innen beim nachhaltigen Umgang mit Textilien aktiv unterstützen, indem sie folgendes anbieten:
    • eine verlängerte Gewährleistung
    • Secondhand-Kleidung
    • Ersatzteile zu einem angemessenen Preis, beispielsweise passende Knöpfe und Reisverschlüsse oder passende Garne zum Stopfen
    • einen Änderungs-und Reparaturservice in Kooperation mit lokalen Schneidereien
    • Auch ein Verleihservice für Kleidung, die nur kurze Zeit oder selten getragen wird, wie Baby-und Festtagskleidung, wäre sinnvoll.
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