Fragwürdige Patienteninformation zur Glaukomfrüherkennung

Pressemitteilung vom
Verbraucherzentrale NRW zieht vor BGH für bessere Aufklärung bei Selbstzahlerleistung

Fragwürdige Patienteninformation zur Glaukomfrüherkennung:
Verbraucherzentrale NRW zieht vor BGH für bessere Aufklärung bei Selbstzahlerleistung

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Die Verbraucherzentrale NRW kämpft juristisch gegen mangelhafte Patienteninformationen im Rahmen von Früherkennungsuntersuchungen des „Grünen Stars“ (Glaukom). Die Glaukomfrüherkennung gehört laut Umfragen zu den meistverkauften Selbstzahlerleistungen in Deutschland. Eine von Patienten zu unterzeichnendes Musterformular des Berufsverbandes der Augenärzte (BVA) benachteiligt nach Auffassung der Verbraucherschützer die Patienten und stellt die Untersuchung einseitig positiv dar.

Im Gegensatz zum Landgericht Düsseldorf, das der Verbraucherzentrale im Dezember 2016 in dem Rechtsstreit vollumfänglich Recht gegeben hatte, sieht das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf mit Urteil vom 19. März 2020 keine Benachteiligung der Patienten. Dagegen hat die Verbraucherzentrale NRW nun Revision eingelegt und strebt ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) an. „Als Grundlage für eine informierte Entscheidung haben die Patienten das Recht auf eine umfassende und verständliche Aufklärung“, sagt Helga Zander-Hayat, Bereichsleiterin Recht Verbraucherzentrale NRW. „Diese ärztliche Aufklärung über Nutzen und Risiken einer Untersuchung oder Therapie ist gesetzliche Pflicht und darf nicht aufgeweicht werden, nur um zusätzliche Einnahmen zu erzielen.“

Im Detail kritisiert die Verbraucherzentrale Formulare mit der Aussage, die Glaukomfrüherkennung sei trotz des Fehlens typischer Beschwerden „ärztlich geboten“. Denn dieser Begriff ist unscharf und nicht definiert. Und die Glaukomfrüherkennung wird gerade deshalb ohne Symptome oder begründeten Verdacht nicht von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt, weil in diesem Fall ein Nutzen nicht wissenschaftlich belegt ist. Im gleichen Formular sollen Patienten eine Zustimmung oder Ablehnung mit folgendem Wortlaut unterschreiben: „Ich wünsche eine Untersuchung zur Früherkennung des Grünen Stars (Glaukom)“ / „Ich wünsche zurzeit keine Glaukom-Früherkennungsuntersuchung.“ Dies setze Verbraucherinnen und Verbraucher unter Druck, die Selbstzahlerleistung anzunehmen. Diverse Beschwerden von verunsicherten Patienten, die bei den Verbraucherschützern eingingen, bestätigen dies. Die Verbraucherzentrale NRW mahnte den BVA daraufhin ab und fordert ein Verbot solcher Verzichtsformulare. Denn sie erwecken den Eindruck, Patienten hätten im Falle einer späteren Glaukomerkrankung Nachteile zu fürchten, wenn sie die Früherkennung nicht nutzen.

Hintergrund:

Mehrere führende wissenschaftliche Einrichtungen kommen aufgrund der internationalen Studienlage seit Jahren zu dem Schluss, dass ein Nutzen der Glaukom-Früherkennung für Menschen ohne Symptome oder Krankheitsverdacht nicht belegt ist. Deshalb ist sie bisher auch keine Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung. Ausnahme: Es besteht aus ärztlicher Sicht ein begründeter Verdacht auf eine Erkrankung oder die Untersuchung als medizinisch notwendig. In einem solchen Fall übernimmt die Krankenkasse die Kosten.

Links zur wissenschaftlichen Bewertung der Glaukomfrüherkennung:

Pressemitteilung des G-BA von 2005: „Ein Glaukom-Screening ist nicht sinnvoll“, https://www.g-ba.de/presse/pressemitteilungen/62/

Pressemitteilung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) von 2012: „Glaukomfrüherkennung: Wissenslücken eingestehen“, https://www.iqwig.de/de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen/glaukomfruherkennung-wissenslucken-eingestehen.2707.html

Mitteilung der U.S. Preventive Services Task Force (USPSTF) von 2013: https://www.uspreventiveservicestaskforce.org/Page/Document/UpdateSummaryFinal/glaucoma-screening

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