Vitamine gegen Long-Covid? Schlechte Noten für Beratung im Test

Pressemitteilung vom
Stichprobe der Verbraucherzentrale zeigt Mängel beim Kundengespräch in Apotheken und Reformhäusern
  • Testpersonen gaben eine Long-Covid-Erkrankung an und fragten nach Nahrungsergänzungsmitteln zur Therapie.
  • Nur in vier von 20 Apotheken wurde von Nahrungsergänzungsmitteln abgeraten, nur in der Hälfte ein Arztbesuch empfohlen.
  • Die Beratung entspricht häufig nicht der Rechtslage und nicht dem Stand der Wissenschaft.
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Corona ist für viele kein Thema mehr, doch Langzeitfolgen nach einer Corona-Infektion sind für Betroffene eine echte Belastung. Geschätzt entwickeln etwa fünf bis zehn Prozent der Menschen nach einer SARS-CoV-2-Infektion Long-Covid. Sie leiden unter Müdigkeit, ausgeprägter Erschöpfung und starken Einschränkungen im Alltag. Vor allem junge Erwachsene sind betroffen, Frauen etwas häufiger als Männer. Es liegt zwar eine Behandlungsleitlinie vor, aber eine Standardtherapie gibt es bisher nicht. Häufig werden Vitamine als Hilfe beworben – von einer Eigenmedikation mit Nahrungsergänzungsmitteln rät die Leitlinie aus Mangel an wissenschaftlichen Belegen jedoch klar ab. Trotzdem empfehlen viele Mitarbeitende in Apotheken und Reformhäusern solche Nahrungsergänzungsmittel, wie Tests in einem Marktcheck der Verbraucherzentrale NRW zeigen. Nur in vier von 20 Apotheken wurde davon abgeraten, drei stellten sogar explizit einen Zusammenhang zwischen den Produkten und Long-Covid her. „Das ist unbefriedigend“, kritisiert Angela Clausen, Referentin für Lebensmittel im Gesundheitsmarkt bei der Verbraucherzentrale NRW. „Die Beratung widerspricht damit der Rechtslage und dem medizinischen Wissensstand.“

Mitte Juni schickte die Verbraucherzentrale NRW zwei junge Frauen und zwei junge Männer in verschiedene Apotheken und Reformhäuser in Köln, Düsseldorf, Essen und Bonn. Sie stellten stets die gleiche Frage, nämlich „Haben Sie irgendwelche Vitamine oder so, die bei Long-Covid helfen?“. In jeder der Städte suchten die Testpersonen jeweils fünf Apotheken (bei Ketten maximal eine der Apotheken) und ein Reformhaus auf. Die Reformhäuser gehörten alle zur gleichen Kette, die Apotheken wurden zufällig ausgewählt. Die Ratsuchenden gaben an, vermutlich an Long-Covid zu leiden, nachdem sie im November 2022 Corona hatten. Als Symptome nannten sie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Konzentrationsschwierigkeiten und leichten Geruchsverlust.

Nahrungsergänzungsmittel sind keine Arzneimittel

„Wir haben erhoben, was den Testpersonen empfohlen wurde“, erklärt Angela Clausen. „Nahrungsergänzungsmittel dienen laut Definition nicht zur Behandlung von Erkrankungen, sondern sind Lebensmittel für gesunde Menschen. Dies wird aber in den aufgesuchten Reformhäusern gar nicht und in den Apotheken nur sehr wenig vermittelt.“ Ganz im Gegenteil stellten drei Apotheken sogar explizit einen Zusammenhang zwischen Nahrungsergänzungsmitteln und Long-Covid her, zweimal davon für ein spezielles hochpreisiges Produkt. Nur in vier der 20 befragten Apotheken (20 Prozent) wurde darauf hingewiesen, dass Nahrungsergänzungsmittel nicht zur Behandlung von Krankheiten gedacht sind. In den aufgesuchten Reformhäusern gab es überhaupt keine Hinweise, dass Nahrungsergänzungsmittel nicht zur Behandlung von Krankheiten gedacht sind. Produktempfehlungen wurden in 13 von 20 Apotheken und in allen Reformhäusern ausgesprochen.

Selbstdiagnose nicht hinterfragt

Die Untersuchung ist nicht repräsentativ, zeigt aber Defizite in der Gesundheitsberatung. Denn die „Diagnose“ Long-Covid wurde nie in Frage gestellt. Das Personal fragte in dem Test weder, ob eine ärztliche Diagnose vorliegt, noch ob überhaupt bisher dazu eine Arztpraxis aufgesucht wurde. Immerhin wurde in zehn Apotheken, also bei 50 Prozent, ein Arztbesuch empfohlen. Es wurde in keiner einzigen Apotheke nach einer eventuellen Einnahme von Medikamenten gefragt.

Ein wirklicher Erfolg der Produkte wurde zwar eher nicht versprochen („könnte möglicherweise kurzfristig helfen, langfristig wahrscheinlich nicht“), aber die Aussagen zu Nahrungsergänzungsmitteln vor allem in den Reformhäusern deckten sich teils ganz und gar nicht mit dem Stand der Wissenschaft („das hat sich bei Long-Covid bewährt“, „der Körper braucht hochdosierte Vitamine“). In einer Apotheke wurden die Testpersonen immerhin darauf hingewiesen, dass man Nahrungsergänzungsmittel nur bei einem nachgewiesenen Mangel einnehmen sollte. In einer anderen wurde gewarnt, dass sie in zu hoher Konzentration schaden können. In diesen Apotheken wurde auch ein Arztbesuch empfohlen.

Bessere Beratung erwartet

Tatsächlich gibt es in der Forschung bislang keine Belege für einen Nutzen durch die eigenmächtige Einnahme von Vitamin D, C oder Spurenelementen. Vielmehr sollte gemeinsam mit behandelnden Ärzt:innen überprüft werden, ob ein Nährstoffmangel vorliegt. Und für keines der genannten Produkte darunter auffällig viele einer bestimmten hochpreisigen Marke gibt es zugelassene Aussagen mit Blick auf Long-Covid. „Verbraucher:innen müssen vom Fachpersonal in Apotheken eine besondere Beratungskompetenz erwarten können“, kritisiert Angela Clausen. „Im Leitfaden der Bundesvereinigung Deutscher Apothekenverbände für Beratungsgespräche heißt es eindeutig, dass bei Selbstmedikation konkret die Eigendiagnose hinterfragt und geklärt werden muss, ob Medikamente eingenommen werden. Daher hätten wir erwartet, dass die Diagnose Long-Covid kritisch hinterfragt wird, was nur einmal geschah, und dass den Testpersonen ein Arztbesuch empfohlen würde – was jedoch nur in der Hälfte der 20 Apotheken geschah.“ Kritisch sieht Clausen auch, dass Produktempfehlungen getätigt wurden, ohne dass darauf hingewiesen wurde, dass manche Präparate teils nicht geeignet sind, etwa bei Schilddrüsenerkrankungen, Störungen der Glukosetoleranz oder bei einer Schwangerschaft.

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