In den vergangenen Jahren sind die Milchpreise immer wieder stark gesunken, sodass die Erzeugerbetriebe kaum ihre Kosten decken konnten. „Viele Verbraucher:innen wollen faire Preise für Milch zahlen, wenn diese auch tatsächlich bei den Landwirt:innen ankommen“, sagt Frank Waskow, Lebensmittelexperte bei der Verbraucherzentrale NRW. Wie sich der Preis der Milch zusammensetzt, ist beim Einkauf allerdings schwer durchschaubar. In den Supermärkten und Discountern in NRW gibt es verschiedene Angebote von „fairer Milch“, die mit einem zusätzlichen Aufpreis für die Landwirt:innen werben. Die Verbraucherzentrale NRW hat verglichen, was hinter den verbreitetsten Angeboten steckt.
Der Milch-Marker-Index ist gut geeignet, um sich ein Bild von einem fairen Auszahlungspreis zu machen. Er stellt die durchschnittlichen Milcherzeugungskosten in der konventionellen und ökologischen Milcherzeugung dar. Im Oktober 2021 lagen die Milcherzeugungskosten für Bio-Milch bei 64,39 Cent pro Kilogramm Milch, für konventionelle Milch bei 46,13 Cent. Die Netto-Milchauszahlungspreise der Molkereien lagen für Bio-Milch bei 48,66 Cent pro Kilogramm Milch, für konventionelle Milch bei 37,45 Cent. Allgemein gilt: Je näher der Auszahlungspreis an den Milcherzeugungskosten liegt, desto besser.
sternenfair
Die konventionelle H-Milch sowie die Milchprodukte von „sternenfair“, der Marke der MVS Milchvermarktungs-GmbH, werden in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und NRW angeboten. Die Milcherzeuger:innen erhalten 40,15 bis 44,15 Cent pro Kilogramm Milch. Angesichts der steigenden Milchpreise plant die MVS für die „sternenfair“ Produkte eine Erhöhung der Auszahlungspreise im Februar 2022. Hinter der MVS steht der Verein freie Bauern e.V. mit 110 angeschlossenen Landwirt:innen.
Die Faire Milch
„Die Faire Milch“ ist ein Projekt des Bundesverbandes deutscher Milchviehhalter (BDM). Der BDM schreibt pro Liter konventionelle Milch einen Grundpreis von 45 Cent fest. Laut Stiftung Warentest ist die Auszahlung jedoch nur lückenhaft rückverfolgbar. Hofbetreiber:innen werden nicht nach verkaufter Menge bezahlt, sondern erhalten eine Gewinnausschüttung auf ihre Genossenschaftsanteile.
Berchtesgadener Land
Von rund 1.800 Milchviehhalter:innen aus der südbayerischen Berg- und Alpenregion stammt die Milch des Molkereiunternehmens „Berchtesgadener Land“. Sie erhalten einen höheren Preis für die Milch als üblich: 42 Cent pro Kilogramm konventioneller Milch, 43 Cent pro Kilogramm Bergbauern-Milch, 53,5 Cent pro Kilogramm Bio-Naturland-Milch sowie 55,5 Cent für ein Kilogramm Bio-Demeter-Milch.
"Du bist hier der Chef"
Mehr als 9.300 Verbraucher:innen haben im Rahmen der Initiative „Du bist hier der Chef“ über die Vergütung für die Milchbauernbetriebe abgestimmt. Die Landwirt:innen erhalten 58 Cent pro Kilogramm Bio-Milch. Wenn notwendig stimmen die derzeit mehr als tausend Vereinsmitglieder über eine Erhöhung der Auszahlungspreise ab. Die unverbindliche Preisempfehlung von 1,45 Euro ist auf der Verpackung aufgedruckt, damit der Handel möglichst keinen höheren Preis festsetzt.
Schwarzwaldmilch
Die Molkerei Schwarzwaldmilch geht mit ihren Auszahlungspreisen transparent um und informiert dazu auf ihrer Homepage. So erhielten Erzeuger:innen 2021 durchschnittlich für konventionelle Milch 40,32 Cent pro Kilogramm und für Bio-Milch 56,03 Cent pro Kilogramm.
Ein Herz für Erzeuger
Einen anderen Ansatz verfolgt Netto mit seiner Marke "Ein Herz für Erzeuger". Seit 2008 werden unter anderem konventionelle Mich sowie Emmentaler Käse und Mozzarella mit einem Preisaufschlag von 10 Cent pro Packung angeboten. Die Werbung suggeriert, dass die Milcherzeuger:innen einen Aufschlag von 10 Cent bekommen. Die Höhe des Aufschlags richtet sich jedoch nach dem Umsatzanteil der Milch „Ein Herz für Erzeuger“ am gesamten Milchumsatz von Netto. Beträgt er 10 Prozent, erhalten die Milchbetriebe von der Molkerei etwa 1 Cent zusätzlich. Nur wenn die gesamte Milch bei Netto als „Ein Herz für Erzeuger“-Milch verkauft werden würde, erhielte jeder Milchbetrieb 10 Cent pro Liter.
Fazit
„Natürlich hilft jeder Cent mehr Erlös den Erzeuger:innen“, so Frank Waskow. „Es zeigt sich jedoch, dass man auch die als ,fair‘ ausgelobten Milchangebote prüfen muss. In der Regel wird tatsächlich ein etwas höherer Milchpreis als bei anderen Milchmarken gezahlt – aber die meisten Marken decken in Zeiten niedriger Marktpreise nicht die Kosten vieler Milchbetriebe. Ein wirklich fairer Preis ist erst ab einem Aufschlag erreicht, der zumindest die Kosten der Milcherzeugung deckt.“
Bitte beachten: Die in der ursprünglichen Version dieser Presseinformation vom 9. Februar 2022 genannten Nettopreise des Molkereiunternehmens "Berchtesgadener Land" haben wir am 11. Februar 2022 korrigiert. Die Senkung der landwirtschaftlichen Vorsteuer zum 1. Januar 2022 von 10,7 Prozent auf 9,5 Prozent war in der ursprünglichen Fassung nicht berücksichtigt.