Kündigen Sie Ihre Baufinanzierung, kann die Bank eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen, wenn ihr durch die Rückzahlung ein Schaden entstanden ist. Ob und wie Sie sich wehren können, haben wir hier zusammengestellt.
Was ist eine Vorfälligkeitsentschädigung und muss ich diese bezahlen?
Wird ein Immobiliendarlehen vorzeitig zurückgezahlt, kann die Bank (nach § 502 Abs.1 BGB) „eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden“ verlangen. Wenn Sie die Darlehenssumme aus einem geschlossenen Kreditvertrag nicht abnehmen, etwa weil Sie das Objekt doch nicht erwerben, spricht man von einer Nichtabnahmeentschädigung.
Allerdings dürfen Sie den Kreditvertrag nur bei berechtigtem Interesse vorzeitig erfüllen. Ein solches liegt vor, wenn Sie die Immobilie, die als Sicherheit für das Darlehen dient, anderweitig verwenden möchten. Anwendungsbeispiele sind:
- Sie verkaufen die Immobilie.
- Oder Sie möchten mit der Immobilie ein zusätzliches Darlehen absichern (z.B. für den Dachgeschossausbau) und das bisherige Institut weigert sich, den Kredit dafür bereitzustellen, während ein anderes Institut den Kredit bereitstellen würde.
Ihr Kreditinstitut ist gesetzlich verpflichtet, Ihnen die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung zu nennen. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung darf von Ihnen unseres Erachtens weder ein Entgelt verlangt noch ein Aufwand in Rechnung gestellt werden
Die Bank darf von Ihnen dann jedoch für die vorzeitige Rückzahlung eine angemessene Entschädigung verlangen. In nachfolgenden Fällen ist dieser Anspruch der Bank aber ausgeschlossen.
Wann die Bank keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen darf
In bestimmten Fällen darf die Bank keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen:
Wenn der Zins über 10 Jahre hinaus fest vereinbart fixiert ist, haben Sie als Verbraucher nach Ablauf von 10 Jahren nach die Möglichkeit, das Darlehen mit einer 6-Monats-Frist entschädigungslos zu kündigen. Die 10-Jahres-Frist beginnt ab dem Tag, an dem Sie das Darlehen vollständig erhalten haben (§489, Abs. 1 Nr. 2 BGB). Beispiel: Ein Darlehensvertrag mit 15-jähriger Zinsfestschreibung wurde am 30. Juni 2022 abgeschlossen, um eine Immobilie zu finanzieren. Die Darlehenssumme wurde am 15. August 2022 vollständig ausgezahlt. Diesen Darlehensvertrag darf der Verbraucher frühestens am 15. August 2032 mit Frist von 6 Monaten kündigen. In diesem Fall fällt keine Vorfälligkeitsentschädigung an.
Wenn die Bank das Darlehen kündigt, etwa weil die Raten nicht mehr bezahlt werden können, darf sie ebenfalls keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen, sondern lediglich Verzugszinsen.
Ein Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn im Vertrag Angaben über
- die Laufzeit des Vertrags,
- das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder
- die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind.
Dies gilt aber nur für Darlehensverträge, die ab dem 21. März 2016 abgeschlossen wurden.
Damit stellt sich die Frage, wann die Angaben „unzureichend“ sind. Hierzu hat der BGH mit Urteil vom 05. November 2019 (Az. XI ZR 650/18) bezogen auf einen Autokredit entschieden, dass das Kreditinstitut die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung „wesentlichen Parameter in groben Zügen“ zu benennen hat.
Die Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung müssen aber im Vertrag nicht nur vorhanden sein. Sie müssen außerdem klar, prägnant und verständlich sein. Sie dürfen nicht ungenau sein, müssen aber gleichzeitig richtig und noch nachvollziehbar sein. So hat es der Gesetzgeber formuliert (Drucksache 16/11643) und so steht es im Münchener Kommentar zum BGB. Ferner hat das OLG Frankfurt am Main mit Urteil vom 1. Juli 2020 (Az 17 U 810/19) entschieden, dass, sofern der Darlehensgeber über die geschuldeten Angaben hinaus Angaben macht, diese ihrerseits klar und verständlich sein müssen.
Die Vorfälligkeitsentschädigung beschäftigt immer wieder die Justiz bis hin zum Bundesgerichtshof. Dabei geht es insbesondere um die Art, wie Geldhäuser ihren Schaden berechnen. Generell gilt: Banken und Sparkassen haben für Transparenz zu sorgen; der Kunde muss die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nachvollziehen können.
Wie wird die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet?
Seit dem 21. März 2016 müssen Kreditinstitute über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung im Darlehensvertrag informieren. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hierbei die sogenannte "Aktiv-Passiv-Methode" und die "Aktiv-Aktiv-Methode" als zulässig anerkannt.
Während die Aktiv-Passiv-Methode von einer sicheren Wiederanlage des zurückgezahlten Darlehens auf dem Geld- und Kapitalmarkt ausgeht, unterstellt die Aktiv-Aktiv-Methode, dass die Bank das Kapital wieder als Darlehen vergibt.
Da dies für Anbieter im aktuellen Zinsumfeld günstiger ist, berechnen sie die Vorfälligkeitsentschädigung derzeit ausschließlich nach der Aktiv-Passiv-Methode. Liegen die aktuellen Zinsen unter denen, die der Kredit der Bank gebracht hätte, entsteht der Bank ein Zinsausfallschaden.
Im Vertrag eingerechnete Kosten für das individuelle Risiko und die Verwaltung des Vertrags müssen abgezogen werden, da diese nach der Rückzahlung nicht mehr anfallen.
Diese Berechnungsgrundsätze gelten aber nicht, wenn Sie keinen rechtlichen Anspruch haben, die Baufinanzierung vorzeitig aufzulösen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Sie arbeitslos werden, ein Darlehensnehmer stirbt oder Sie unverhofft einen Geldbetrag erben und zur Tilgung einsetzen könnten. Dann sind Sie auf die Zustimmung Ihres Geldinstituts angewiesen.
Ärgerlich für Kunden: Bislang erlaubt die Rechtsprechung in diesen Fällen sogenannte Vorfälligkeits- oder Aufhebungsentgelte, die den wirklichen Schaden des Kreditgebers weit übersteigen. Allerdings gibt es eine Grenze zur Sittenwidrigkeit: Sie liegt beim Doppelten des tatsächlichen Schadens. Daher ist es ratsam, die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung einem Experten vorzulegen, zum Beispiel bei den Verbraucherzentralen.
Vorfälligkeitsentschädigung – was Sie dagegen tun können
Folgende Punkte helfen, eine Vorfälligkeitsentschädigung zu umgehen oder zu reduzieren:
- Ordentliches Kündigungsrecht nach 10 Jahren
Haben Sie einen Zins über 10 Jahre hinaus fest vereinbart? Dann besteht nach Ablauf von 10 Jahren die Möglichkeit, das Darlehen mit einer 6-Monats-Frist entschädigungslos zu kündigen. Die 10-Jahres-Frist beginnt ab dem Tag, an dem der Kunde das Darlehen vollständig erhalten hat. In diesem Fall steht der Bank kein Ausgleich zu.
Bei der Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigungen muss die Bank unterstellen, dass Sie von Ihrem gesetzlichen Kündigungsrecht Gebrauch machen würden. Haben Sie eine Zinsbindung von mehr als 10,5 Jahren vereinbart, sollten Sie daher prüfen, ob das Kreditinstitut bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung Ihr ordentliches Kündigungsrecht berücksichtigt hat.
- Fehlende Angaben im Vertrag
Für Verträge ab dem 21. März 2016 sind Anbieter verpflichtet, im Vertrag bestimmte Pflichtangaben zu machen. Sind die Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend – oder überhaupt nicht vorhanden –, ist der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen. Wenn Sie diese Angaben nicht im Vertrag finden oder Zweifel daran haben, dass die gemachten Angaben ausreichend sind, sollten Sie sich unabhängig beraten lassen, zum Beispiel bei den Verbraucherzentralen.
- Prüfen Sie die Widerrufsbelehrungen
Genügen die Widerrufsbelehrungen zu Ihrem Darlehensvertrag nicht den gesetzlichen Anforderungen, können Sie Ihr Baudarlehen ohne Vorfälligkeitsentschädigung widerrufen. Mehr Informationen zum Widerruf und zur Prüfung der Widerrufsbelehrung finden Sie hier.
- Pfandtausch der Immobilie
Wenn Sie eine andere, unbelastete Immobilie besitzen, können Sie diese der Bank als Ersatzsicherheit anbieten. Gewährt sie der Bank mindestens die gleiche Sicherheit wie die verkaufte Immobilie, muss die Bank dem Tausch zustimmen. Der Vertrag kann dann bis zur ersten ordentlichen Kündigungsmöglichkeit oder auch darüber hinaus fortgesetzt werden.