Das Wichtigste in Kürze:
- Ein Unternehmen hat die Genehmigung erhalten, in der EU das teilweise entfettete Pulver aus der Hausgrille in Lebensmitteln zu verarbeiten. Es gab auch noch andere Zulassungen zu anderen Insektenbestandteilen.
- Sind Insekten in Lebensmitteln enthalten, muss das auf der Verpackung gekennzeichnet sein.
- Vor allem Vorgaben zu Allergenen müssen nach unserer Ansicht deutlicher werden.
Die Hausgrille oder der Getreideschimmelkäfer als Lebensmittelzutat – das sorgt aktuell für einige Aufregung, auch in den digitalen Netzwerken. Viele Menschen fürchten, dass pulverisierte Insekten nun ohne Kennzeichnung in Lebensmitteln auftauchen. Hier können wir Entwarnung geben. Auch wenn die EU-Kommission schon vor ein paar Jahren erste Insekten als Lebensmittel zugelassen hat, sind sie noch immer ein absolutes Nischenprodukt.
Wenn Insekten enthalten sind, muss das auf der Verpackung gekennzeichnet sein. Vorgaben zur Kennzeichnungspflicht können zum Teil aber noch deutlicher sein – zum Beispiel was die Allergenkennzeichnung von loser Ware betrifft.
Wann und wie wurde die Hausgrille als Lebensmittel zugelassen?
Die Hausgrille (Acheta domesticus) darf in gefrorener, getrockneter und pulverisierter Form schon seit März 2022 als neuartiges Lebensmittel (Novel Food) verwendet werden; seit dem 24. Januar 2023 nun auch als teilweise entfettetes Pulver. Den Antrag dazu hat ein Unternehmen gestellt, das nun zunächst für die Dauer von 5 Jahren dieses Pulver in bestimmten Lebensmittelgruppen verwenden darf.
Neuartige Lebensmittel werden nicht einfach so, sondern erst nach intensiver Sicherheitsprüfung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugelassen. Sie müssen also ein Zulassungsverfahren durchlaufen, bevor sie zum Verkauf angeboten werden dürfen. Lebensmittel, die in der EU vor dem 15. Mai 1997 in nicht nennenswertem Umfang verwendet worden sind, zählen zu den neuartigen Lebensmitteln bzw. zu Novel Food.
Welche Speiseinsekten gibt es außerdem?
Auch die Larven des Getreideschimmelkäfers (Alphitobius diaperinus) wurden im Januar 2023 in gefrorener, pastenartiger, getrockneter und pulverisierter Form für die Verwendung in bestimmten Lebensmittelgruppen zugelassen. In der Vergangenheit hat es darüber hinaus auch schon andere Zulassungen für Speiseinsekten/-bestandteile gegeben – zum Beispiel für die getrockneten Larven des Mehlkäfers, auch Mehlwürmer genannt (Juni 2021), für die gefrorene, getrocknete und pulverförmige gemahlene Wanderheuschrecke (November 2021) und für den gefrorenen, getrockneten, pulverförmigen Mehlwurm (Februar 2022).
Weitere Informationen dazu finden Sie in diesem Artikel.
Wie müssen Insekten auf der Produktverpackung gekennzeichnet werden?
Insekten als Zutat in Lebensmitteln sind kennzeichnungspflichtig, wie alle anderen Zutaten auch. Sie müssen also in der Zutatenliste aufgeführt werden. Da aktuell keine Vorgaben für eine rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung oder eine verkehrsübliche Bezeichnung von Insektenprodukten existiert, ist eine beschreibende Bezeichnung, die die jeweils zugelassene Form des Insekts aufgreift, notwendig. Zum Beispiel muss die Kennzeichnung für die aktuell zugelassene Form der Hausgrille wie folgt lauten: "teilweise entfettetes Pulver aus Acheta domesticus (Hausgrille)". Für die Im Januar 2023 zugelassenen Larven des Getreideschimmelkäfers muss – je nach Form – folgende Kennzeichnung erfolgen: "Gefrorene Larven/Paste aus Larven von Alphitobius diaperinus (Getreideschimmelkäfer)" oder "Getrocknete Larven/Pulver aus Larven von Alphitobius diaperinus (Getreideschimmelkäfer)".
Insekten müssen derzeit allerdings nicht als Allergen im Rahmen der verpflichtenden Allergenkennzeichnung gekennzeichnet werden. Das heißt: Sie müssen im Zutatenverzeichnis nicht gesondert hervorgehoben werden etwa durch Fettdruck oder Großbuchstaben. Bei bisher zugelassenen neuartigen Speise-Insekten wie beispielsweise den Hausgrillen in Pulverform muss aber in unmittelbarer Nähe zum Zutatenverzeichnis darauf hingewiesen werden, dass diese Zutat bei Menschen, die bekanntermaßen gegen Krebstiere und Erzeugnissen daraus sowie gegen Hausstaubmilben allergisch sind, allergische Reaktionen auslösen kann.
Wie müssen Insekten bei unverpackter Ware gekennzeichnet werden?
Lose Ware zum Beispiel beim Bäcker oder im Restaurant muss in der Regel keine Zutatenliste haben. Daher können Sie sie nicht immer sofort auf möglicherweise enthaltene Insekten prüfen. Deshalb raten wir dazu, im Zweifel nachzufragen. Idealerweise wird schon im Rahmen des Produktnamens oder gar der Bezeichnung am Schild neben der Ware oder in der Speisekarte auf Insekten bzw. deren Bestandteile hingewiesen.
Informationen über die 14 besonders wichtigen und möglicherweise enthaltenen Allergene bei loser Ware müssen schriftlich oder mündlich erfolgen. Allerdings gehören Insekten bisher nicht dazu. Hier gilt es, rechtlich nachzubessern. Denn Speiseinsekten können allergische Reaktionen auslösen, wenn man gegen Krebstiere, Weichtiere und/oder Hausstaubmilben allergisch ist.
Tauchen Insekten jetzt in zahlreichen Gerichten auf?
Nein. Denn Insekten sind teure Rohstoffe und werden derzeit nicht in großem Umfang angeboten. Sie zählen eher zu den Nischenprodukten. Es ist zu erwarten, dass die Insekten dort als Herausstellungsmerkmal auch ausdrücklich beworben werden. Das Zusetzen von Insekten in herkömmlichen Lebensmitteln ist derzeit eine Seltenheit.
Aufgrund der ernährungsphysiologischen Vorzüge, des hohen Proteingehalts und dem Gehalt an ungesättigten Fettsäuren gelten Insekten als mögliche Alternative oder Ergänzung zu Fleisch und Fisch. Auch durch den geringeren Ressourcenaufwand (Wasser, Landnutzungsfläche und CO2-Ausstoß) bei der Aufzucht sind Insekten aus Gründen der Nachhaltigkeit ein Zukunftsthema.
Solange aber keine große Nachfrage besteht, wird sich wahrscheinlich auch kein entsprechend großes Angebot entwickeln. Umfragen zeigen, dass es zwar Interesse gibt, aber die kulturellen Prägungen bei der Mehrheit der Deutschen zu einer eher distanzierten Haltung zu Insekten in der Ernährung führen.
Speiseinsekten in vegetarischen und veganen Speisen?
Bislang gibt es noch keine rechtsverbindliche Definition der Begriffe vegan und vegetarisch. Allerdings haben sich die Verbraucherschutzminister der Bundesländer 2016 auf Definitionen geeinigt, um im Markt der so gekennzeichneten Lebensmittel für Klarheit zu sorgen. Nach diesem Beschluss dürfen als vegan und vegetarisch gekennzeichnete Lebensmittel keine Zutaten (einschließlich Zusatzstoffe, Trägerstoffe, Aromen, Enzyme), Verarbeitungshilfsstoffe und vergleichbare Stoffe enthalten, die tierischen Ursprungs sind. Pulver auf Basis von Speiseinsekten sind tierischen Ursprungs und sollten daher nicht in veganen oder vegetarischen Lebensmittel zu finden sein.
Was fordern die Verbraucherzentralen?
- Insekten oder Bestandteile von Insekten müssen zwar in der Zutatenliste aufgeführt werden und auch ein Allergiehinweis muss in unmittelbarer Nähe dazu erfolgen. Allerdings zählen Insekten/-bestandteile bisher nicht zur verpflichtenden Allergenkennzeichnung. Sie müssen im Zutatenverzeichnis nicht gesondert hervorgehoben werden etwas durch Fettdruck oder Großbuchstaben. Auch die Vorgaben zur verpflichtenden Allergenkennzeichnung bei loser Ware entfällt dadurch. Die Allergenkennzeichnung muss daher schnellstmöglich erweitert werden.
- Ausführliche, unabhängige Studien zu gesundheitlichen Aspekten, Hygiene und Krankheiten, Umweltfaktoren, Tierschutz und Nutzung der Insekten als Futtermittel sind erforderlich.
- Die Hygienevorschriften für die Produktion und die Fütterung sollten für Insekten verbindlich gemacht werden. Insbesondere hinsichtlich möglicher Rückstände wie Antibiotika oder Fungiziden sollten die Tiere genau untersucht und die Ergebnisse transparent gemacht werden.
- Die Verbraucherzentralen fordern Hersteller auf, das Keimabtötungsverfahren zu kennzeichnen und gegebenenfalls auf ein notwendiges Erhitzen vor dem Verzehr hinzuweisen. Laut jetzigem Forschungsstand haben Insekten kein Schmerz- oder Leidempfinden wie Säugetiere. Ob das, was im Nervensystem von Insekten passiert, mit dem menschlichen Verständnis von Schmerz vergleichbar ist, lässt sich derzeit aber noch nicht beantworten.