Das Wichtigste in Kürze:
- Die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung (GGV) ist ein Konzept, das die Solarstromnutzung in Mehrfamilienhäusern vereinfachen soll.
- Die Hausbewohner:innen können frei entscheiden, ob sie an der GGV teilnehmen und den so gewonnen Solarstrom nutzen wollen. Ihren bisherigen Stromanbieter können sie für den restlichen Strombedarf behalten.
- Aktuell kann die GGV in der Praxis häufig noch nicht umgesetzt werden, weil Dienstleister für die Messung und Abrechnung des Solarstroms fehlen und die notwendigen Stromzähler (Smart Meter) noch nicht flächendeckend verfügbar sind.
Die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung ist seit Mai 2024 rechtlich möglich. Trotzdem sind bisher noch keine Pilotprojekte umgesetzt. Zukünftig sollen so mehr Haushalte in Mehrfamilienhäusern mit Solarstrom vom Dach versorgt werden. Die Verbraucherzentrale NRW stellt das Modell vor und gibt Antworten auf Fragen, die für interessierte Haushalte relevant sind.
Die Grundidee: Ein zusätzlicher Stromvertrag für Solarstrom vom Dach
Für die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung (GGV) errichtet ein:e Investor:in – meist der oder die Vermieter:in – eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach eines Mehrfamilienhauses und schließt mit interessierten Bewohner:innen des Gebäudes einen Stromliefervertrag für Strom aus dieser Anlage.
Die Haushalte im Gebäude können dann den vor Ort produzierten Strom nutzen – und das zu einem geringeren Preis als für Netzstrom verlangt wird. Mit dem Solarstrom lässt sich ein Teil des Strombedarfs decken und für den anderen Teil kann jeder Haushalt seinen Stromlieferanten weiterhin frei wählen.
Die teilnehmenden Haushalte haben also zwei Stromverträge: einen so genannten Gebäudestromnutzungsvertrag für den PV-Strom und einen klassischen Stromliefervertrag für Netzstrom.
Im Gebäudestromnutzungsvertrag legt der Anlagenbetreiber neben dem Strompreis auch fest, wie der Strom aus der Photovoltaik-Anlage auf die teilnehmenden Haushalte aufgeteilt wird. Dabei gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: die statische und die dynamische Aufteilung. Beide beziehen sich auf ein 15-Minuten-Zeitintervall. Bei einer statischen Aufteilung wird der Ertrag der Anlage zu festgelegten, immer gleichen prozentualen Anteilen aufgeteilt. Bei einer dynamischen Aufteilung erfolgt die Verteilung danach, wie hoch der Verbrauch eines Haushalts am gesamten Stromverbrauch im Zeitintervall war. Ziel ist möglichst viel PV-Strom direkt im Gebäude zu verbrauchen. Dies wird mit der dynamischen Verteilung besser erreicht, weil die Verteilung am tatsächlichen Verbrauch ausgerichtet wird.
Das Konzept der GGV wurde im Mai 2024 mit dem Solarpaket I verabschiedet. Es soll eine unbürokratischere Alternative zum sogenannten Mieterstrom-Modell darstellen, das bereits seit Jahren nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz möglich ist, aber kaum umgesetzt wird.
Im Gegensatz zum Mieterstrom-Modell liefern Anlagenbetreibende bei der GGV nicht den kompletten Strom an die Haushalte. So profitieren sie von deutlich geringeren Anforderungen an Vertragsinhalte und Informationsplichten. Auf der anderen Seite behalten Mietende die Freiheit, den Lieferanten für den restlichen Netzstrom frei zu wählen.
Das Ziel ist, Haushalten in Mehrfamilienhäusern Zugang zu günstigem Solarstrom zu verschaffen und das so unkompliziert, dass es auch für Gebäudeeigentümer:innen attraktiv wird, das Dach zu diesem Zweck zu nutzen.
Technische Voraussetzung: Dienstleister und digitales Messkonzept
Zur Umsetzung der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung ist ein Messkonzept mit intelligenten Messsystemen (sogenannten Smart Metern) notwendig, um den Stromverbrauch und die Erzeugung in 15-Minuten-Intervallen erfassen und verteilen zu können. Alle Wohneinheiten und die Erzeugungsanlage müssen mit modernen Zählern ausgestattet werden. Für den einzelnen Haushalt sind diese Zähler nicht teurer als herkömmliche, digitale Zähler.
Der Messstellenbetreiber ermittelt anhand des festgelegten Verteilschlüssels alle 15 Minuten die Menge an PV-Strom und Netzstrom, die jeder Wohneinheit zugeordnet werden. Außerdem übermittelt er dem Netzbetreiber, wie viel Solarstrom nicht verbraucht und daher ins Netz eingespeist wurde. Die Einspeisevergütung dafür kommt dem oder der Anlagenbetreiber:in zugute.
Zur Umsetzung müssen sich Gebäudeeigentümer die Hilfe von einem Dienstleister holen. Dieser unterstützt bei Vertragserstellung, übernimmt die energiewirtschaftliche Kommunikation und könnte auch der Messstellenbetreiber sein.
Weitere Informationen für Vermietende und Anlagenbetreibende finden Sie bei der Landesgesellschaft für Energie und Klimaschutz NRW.Energy4Climate.
FAQ für interessierte Haushalte
Wenn Sie
- in einem Mehrfamilienhaus wohnen und auf Ihrem Gebäude eine Gebäudestromanlage bzw. Photovoltaik-Anlage errichtet werden soll oder
- Sie die Vermietenden-Seite oder die Wohnungseigentumsgemeinschaft von einem solchen Projekt überzeugen wollen,
haben wir hier für Sie die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengestellt:
- Wie funktioniert die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung?
Betreibende des GGV-Projekts investieren in die PV-Anlage, schließen Gebäudestromverträge mit allen teilnehmenden Haushalten und beauftragen ein Dienstleistungsunternehmen mit der Messung und Abrechnung. Sofern noch nicht geschehen, werden die bisherigen Zähler durch Smart Meter (intelligente Messsysteme) ersetzt. Für die Netzeinspeisung erhalten Anlagenbetreibende entweder die feste EEG-Einspeisevergütung, Erlöse aus der Direktvermarktung oder sie verzichten auf eine Vergütung im Rahmen der „unentgeltlichen Abnahme“.
- Wer kann ein GGV-Projekt umsetzen?
Ein GGV-Projekt kann von Vermieter:innen, bzw. der Eigentumsgemeinschaft umgesetzt werden. Ebenso können beide das Projekt an einen Investor vergeben.
Mietende oder einzelne Wohnungseigentümer:innen können kein GGV-Projekt betreiben.
- Ab welcher Gebäudegröße ist das sinnvoll?
Eine Mindestzahl an Wohneinheiten lässt sich schwer festlegen. Jedes Projekt muss individuell kalkuliert werden. Je mehr Wohneinheiten es gibt, desto besser ist die Aussicht auf Wirtschaftlichkeit. Bei weniger als 6 Wohneinheiten wird es vermutlich schwer, die Anlage wirtschaftlich zu betreiben.
- Welche Vorteile bietet ein GGV-Projekt für Mietende?
Neben Steckersolar-Geräten bietet die GGV Mietenden eine weitere Möglichkeit, bei der Energiewende mitzumachen. Einen Teil ihres Strombedarfs können sie mit einer GGV durch Solarstrom decken – klimafreundlich, günstig und direkt vom Haus, in dem sie wohnen.
- Welche Stromabrechnung erhalten Mietende?
Mietende erhalten wie bisher eine Rechnung über bezogenen Strom aus dem Stromnetz vom Stromlieferanten. Diese fällt aber künftig niedriger aus, weil sie ja nicht mehr so viel Strom aus dem Netz beziehen müssen. Zusätzlich erhalten sie eine Rechnung vom Betreibenden der Gebäudestromanlage über den bezogenen Solarstrom. Um Fehler frühzeitig aufzudecken, sollten beide Rechnungen direkt abgeglichen werden: Die Summe der beiden Strommengen muss der Differenz des Zählerstandes entsprechen.
- Welche Vorteile bietet ein GGV-Projekt gegenüber dem EEG-Mieterstrom?
Ein GGV-Projekt ist einfacher umzusetzen, da nur der Solarstrom geliefert und abgerechnet werden muss. Beim Mieterstrom-Modell müssen Betreibende den kompletten Strombedarf an die Haushalte liefern – also auch Strom aus dem Netz. Sie werden zum Stromversorger – mit allen damit einhergehenden Pflichten. Dies ist ebenfalls ein Vorteil für die Beziehenden des GGV-Solarstroms: Beim Reststrom bleibt die Flexibilität, den Stromlieferanten wie bisher wechseln zu können.
- Kann bei einem GGV-Projekt der Strom auch in einem anderen Gebäude genutzt werden?
Der Solarstrom darf nicht durch das öffentliche Netz zu den Teilnehmenden an der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung transportiert werden. Lediglich die Überschusseinspeisung, also der nicht verbrauchte Solarstrom, fließt ins öffentliche Netz.
Die PV-Anlage kann auch auf Nebengebäuden und Garagen errichtet werden, wenn sie hinter demselben Hausanschluss liegen.
- Gibt es wie beim EEG-Mieterstrom einen Preisdeckel?
Bei der GGV gibt es für den Solarstrom keinen Preisdeckel. Der Preis wird im Gebäudestromvertrag frei zwischen den Betreibenden und den Nutzenden festgelegt.
Ein attraktiver Solarstrom-Preis für die Nutzenden ist aber die Voraussetzung, damit die Haushalte mitmachen und so das Modell überhaupt erst für Vermieter:innen attraktiv wird.
- Welche Kündigungszeiten gibt es?
Kündigungsfristen sowie etwaige Mindestlaufzeiten werden ebenfalls im Gebäudestromvertrag festgelegt. Die anfängliche Mindestlaufzeit darf maximal 2 Jahre betragen und es gilt ein außerordentliches Kündigungsrecht bei Auszug.
- Was passiert, wenn ich bei einem GGV-Projekt mitmache und dann wieder kündigen will?
Mindestlaufzeit und Kündigungsfrist sind im Gebäudestromvertrag festgelegt. Bei Kündigung wird kein Solarstrom mehr vom Dach bezogen und der gesamte bezogene Strom kommt wieder vom externen Versorger aus dem Netz.
- Müssen alle Mietenden bei einem solchen Projekt gleichzeitig mitmachen oder auch gleichzeitig kündigen?
Nein, jeder Haushalt kann individuell über eine Teilnahme entscheiden und ebenso darüber, ob und wann er gegebenenfalls wieder im Rahmen des Gebäudestromvertrags kündigt.
- Muss ich meinen bisherigen Stromversorgungsvertrag kündigen?
Eine Kündigung des bisherigen Stromversorgungsvertrags ist nicht nötig. Dieser läuft weiter. Der Strombezug aus dem Netz reduziert sich aber um den bezogenen Solarstrom aus der GGV.
- Können Gebäudeeigentümer:innen das allein umsetzen?
Nein, zur Umsetzung wird ein Dienstleister benötigt. Dazu braucht es mindestens einen Messstellenbetreiber zur Erhebung der Daten; gegebenenfalls auch einen Abrechnungsdienstleister, der die Daten empfangen und verarbeiten kann.
- Kann so ein Projekt heute schon umgesetzt werden?
Nein, derzeit gibt es am Markt noch keine frei verfügbaren Angebote für die erforderlichen Dienstleistungen. Das kann sich aber schnell ändern. Vermutlich wird es zunächst einige lokale Pilotprojekte geben. Die gesetzliche Grundlage für die GGV liegt seit Mai 2024 vor.
- Wie lange läuft so ein Projekt?
Das lässt sich nur grob prognostizieren. Eine PV-Anlage läuft 20 bis 30 Jahre. So lange könnte auch die zugehörige GGV laufen, gegebenenfalls auch länger, falls die PV-Anlage durch eine neue ersetzt wird. Das gesetzliche Modell kann aber auch geändert werden.
- Wie viel Strom erhalte ich aus der PV-Anlage?
Wie viel Strom ein Haushalt im Rahmen der GGV aus der PV-Anlage erhält, hängt vom sogenannten Aufteilungsschlüssel ab, der im Gebäudestromliefervertrag festgelegt ist. Dabei ist entscheidend, ob die statische oder die dynamische Aufteilung gewählt wird. Auch die Anlagengröße der PV-Anlage und damit die Gesamthöhe der Solarstromerzeugung geht hier mit ein.
Bei der statischen Aufteilung wird jedem Haushalt ein fester Anteil des in jeder Viertelstunde erzeugten Solarstroms zugeteilt. Der Aufteilungsschlüssel kann sich einfach an der Zahl der Wohneinheiten orientieren, aber auch individuell an der jeweiligen Wohnfläche oder der Anzahl der jeweiligen Haushaltsmitglieder. So würde zum Beispiel – bei 5 gleichen Wohneinheiten in einem Gebäude – jeder Haushalt immer 20 Prozent des erzeugten Solarstroms zugewiesen bekommen.
Bei der dynamischen Aufteilung wird die in jeder Viertelstunde erzeugte Solarstrommenge anteilig der gleichzeitigen Verbräuche im Gebäude zugeteilt. Verbraucht ein Haushalt in einer bestimmten Viertelstunde 60 Prozent des in diesem Zeitraum insgesamt im Gebäude verbrauchten Stroms, bekommt dieser Haushalt auch 60 Prozent des in dieser Viertelstunde erzeugten Solarstroms zugeteilt.
Bei der dynamischen Aufteilung ist folglich der Anteil des im Gebäude genutzten Solarstroms höher, da weniger Überschüsse ins Netz eingespeist werden.
- Ich bin tagsüber meist unterwegs. Können auch Speicher mit eingebunden werden?
Theoretisch ja, praktisch gibt es aber noch offene Fragen: sowohl zur dann geltenden Aufteilung des Solarstroms als auch zur konkreten technischen Umsetzung. Mehrere Varianten sind denkbar, zum Beispiel Einzelspeicher in Wohnungen oder ein zentraler Batteriespeicher im Keller.
- Ich habe bereits ein Steckersolar-Gerät. Kann ich trotzdem Strom aus der Gebäudeanlage beziehen?
Ja. Zu beachten ist dabei, dass sich die Produktion aus dem Steckersolar-Gerät zeitlich häufig mit der Produktion aus der GGV-Anlage überschneiden wird. Es kann daher sinnvoll sein, die Module auf dem (Flach-)Dach in andere Himmelsrichtungen auszurichten als die auf den Balkonen.
- Wer erhält die Einspeisevergütung?
Wer die Anlage betreibt, erhält die Einspeisevergütung für den Teil des erzeugten Solarstroms, der nicht im Rahmen der GGV weitergegeben, sondern ins öffentliche Stromnetz eingespeist wird.
Wird die PV-Anlage in der Direktvermarktung oder im Modell der „unentgeltlichen Abnahme“ betrieben, gibt es für den eingespeisten Strom keine feste Einspeisevergütung. Der oder die Anlagenbetreiber:in erhält entweder die Direktvermarktungserlöse oder keine Vergütung für den eingespeisten Strom.
- Muss ich selbst aktiv werden, um den notwenigen Stromzähler zu erhalten?
Wenn der zuständige Messstellenbetreiber nicht von sich aus aktiv wird, müssen Sie sich selbst beim Netzbetreiber (dieser ist oft auch der Messstellenbetreiber), um den benötigten Zähler kümmern. Ab 2025 müssen Messstellenbetreiber auf Wunsch intelligente Messsysteme installieren, die für die GGV benötigt werden.